Es war einmal eine junge Frau namens Anna, die von allen im Dorf als „die Unschuld vom Lande“ bezeichnet wurde. Nicht, weil sie unbedingt naiv war, sondern weil sie so unerschütterlich optimistisch und freundlich war, dass niemand sie jemals mit etwas Bösem in Verbindung gebracht hätte. Anna lebte auf einem kleinen Bauernhof am Rande des Waldes und hatte ein unschuldiges Lächeln, das sogar die störrischsten Ziegen und Hühner besänftigte. Man munkelte, dass sie in Wirklichkeit mit den Tieren sprechen konnte. Ihre Kuh „Lotti“ schien ihr jedenfalls immer aufmerksam zuzuhören.
Eines Tages, als sie im Dorf war, hörte Anna von einem bevorstehenden Dorffest. Das ganze Dorf bereitete sich darauf vor, doch es gab ein Problem: Niemand wollte den Festkuchen backen. „Zu viel Druck“, sagten die Dorfbäcker, „und wenn er nicht perfekt wird, reden die Leute wochenlang darüber!“
Anna, die keine Angst vor Teig und Butter hatte, erklärte sich fröhlich bereit, den Kuchen zu backen. „Wie schwer kann das schon sein?“ dachte sie sich. Schließlich war sie es gewohnt, Brot zu backen, und ein Kuchen war doch im Grunde nichts anderes, nur eben… süßer.
Am Tag des Fests stand Anna früh auf, um den größten Kuchen zu backen, den das Dorf je gesehen hatte. Sie kippte Zucker, Mehl und Eier zusammen, so wie es sich gehörte, und machte sich an die Arbeit. Doch während sie alles mischte, hörte sie plötzlich ein merkwürdiges Geräusch hinter sich. Als sie sich umdrehte, stand da ihre Ziege, Berta, auf den Hinterbeinen und schaute gierig in die Schüssel.
„Oh nein, Berta! Das ist nicht für dich!“, rief Anna und schob die Ziege aus der Küche. Doch es war zu spät – Berta hatte bereits mit ihrem Kinn einige Eier und eine beachtliche Menge Mehl aus der Schüssel gestupst. Anna zuckte mit den Schultern und lachte. „Ach, was soll’s! Ein bisschen Ziege im Kuchen hat noch niemandem geschadet!“
Als der Kuchen schließlich im Ofen war, dachte Anna darüber nach, wie sie ihn dekorieren könnte. Sie erinnerte sich an die letzten Jahre, als der Dorfbäcker prunkvolle Zuckerglasuren und kunstvolle Blumen auf die Torten zauberte. Anna war jedoch nicht wirklich geübt im Verzieren, also entschied sie sich, das Ganze einfach… kreativ anzugehen.
Sie sammelte Blumen vom Feld, pflückte einige frische Erdbeeren und – zu allem Überfluss – steckte auch noch eine kleine Stoffpuppe, die sie als Kind gemacht hatte, als „festliche Dekoration“ auf den Kuchen. „Das wird schon gut ankommen“, dachte sie sich.
Als das Dorffest begann, versammelten sich die Dorfbewohner um Annas Kuchen. Zunächst waren sie beeindruckt von der schieren Größe – der Kuchen war fast so groß wie ein kleiner Tisch. Doch als sie die „Dekoration“ sahen, begannen die Leute, sich zu wundern. „Äh… ist das eine Puppe?“, fragte jemand unsicher.
„Ja!“, rief Anna strahlend. „Ist sie nicht niedlich?“
Die Dorfbewohner waren verwirrt, aber weil Anna so unschuldig wirkte, wollten sie ihr nicht vor den Kopf stoßen. Also begannen sie, den Kuchen zu schneiden und zu verteilen. Die ersten Bissen wurden skeptisch probiert, doch nach einigen Sekunden breitete sich ein erstauntes Murmeln unter den Leuten aus.
„Das ist… das ist unglaublich gut!“, sagte der Dorfbäcker, der eigentlich als der Beste im Geschäft galt. „Was hast du in den Kuchen getan?“
Anna lächelte unschuldig und zuckte mit den Schultern. „Nur das Übliche… mit einem Hauch von Ziege!“
Es stellte sich heraus, dass die Ziege Berta bei ihrer kleinen Kücheneinlage wohl eine spezielle Zutat hinzugefügt hatte – und der Kuchen schmeckte dadurch besser, als irgendjemand es sich je hätte vorstellen können. Die Leute waren begeistert, und Anna wurde noch beliebter im Dorf.
Seitdem gilt Anna nicht nur als die Unschuld vom Lande, sondern auch als die „Meisterin der Ziege-Kuchen“. Niemand weiß genau, was sie anders macht, aber jedes Jahr zum Dorffest verlangt das ganze Dorf nur eines: „Annchen, back uns doch bitte wieder deinen berühmten Ziege-Kuchen!“
Und Anna? Sie lächelte nur geheimnisvoll und streichelte Berta, die sichtlich stolz auf ihren kulinarischen Beitrag war.
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